Ist Versöhnung im Heiligen Land möglich?

Im Jahre 2004 lernten meine Frau und ich Charles und Sonja Reichenbach bei ihrer Israelreise kennen. Durch ihren Dienst wurde unsere Liebe zu Israel geweckt. Diese Israelreise sollte nicht die letzte sein. Bald bereisten wir das Heilige Land auf eigene Faust. Durch Besuche von messianischen Gemeinden bekamen wir erste Einblicke von der vielfältigen Gemeindelandschaft in Israel. Und auch daheim setzten wir uns konstant mit dem Thema Israel auseinander. Langsam dachten wir, Israel zu verstehen.

Evan_hs_webjpg „Diese Reise wird euch herausfordern!“ Die Worte des messianischen Pastors Evan Thomas rütteln uns wach. Es ist April 2019. Wir sitzen in der Gemeinde Beith Asaph in Netanja. Es ist die erste Station der Leiterstudienreise mit dem Philippus-Dienst. Unsere Reisegruppe besteht aus 27 geistlichen Leitern aus 11 Nationen, die alle einen unterschiedlichen Gemeindehintergrund haben. Aber nicht nur das ist herausfordernd! Evan Thomas fährt fort: „Respektiert, dass ihr in einem Land mit einer langen Geschichte seid. Glaubt nicht alle Antworten zu haben, sondern lernt zuzuhören.“ Und wir hören auf dieser Reise zu. Wir besuchen Gemeinden und Projekte in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten. Und wir werden herausgefordert, eine neue Sicht auf den Leib Christi im Heiligen Land zu werfen.


Ibtisam_Ajaj_webjpgAls wir bei Azar Ajaj, dem Leiter des Nazareth Evangelical College, zu Besuch sind, erzählt er uns von seiner Hochzeitsreise. Sie wollten damals ein Boot mieten und der Verleiher fragte interessiert: „Woher kommen sie?“ Azar erwiderte „aus Israel.“ „Juden?“ „Nein, wir sind Araber.“ „Moslems?“ „Nein wir sind Christen“. Darauf entgegnete der Bootsvermieter: „Jetzt haben sie mich total verwirrt“.

Arabische Christen im Heiligen Land? Diese hatten wir bisher auch nicht bewusst wahrgenommen. Azar Ajaj macht uns klar, welche Minderheit an Jesus gläubige arabische Christen in Israel sind. Von den 9 Millionen Einwohnern Israels sind 20% Araber. Von diesen Arabern sind offiziell 10% Christen. Effektiv gibt es nur etwa 5000 evangelikale arabische Christen in Israel und etwa 1000 in den autonomen Gebieten.

Zahlenmässig fallen sie nicht ins Gewicht. Und doch ist es ein wichtiger Überrest, den sich Gott im Geburtsland des Christentums unter dem arabischen Volk bewahrt hat. Diese Christen sind Zeugen, haben jahrhundertelang das Zeugnis Jesu im Nahen Osten unter schwierigsten Umständen bewahrt und wollen nun ihrem Volk das Evangelium nahebringen und Zeichen des Friedens setzen.

Wie ist nun die Beziehung der arabischen Christen zu den messianischen Juden? Der Schutz vor dem Terror hat es notwendig gemacht, dass ein Grenzzaun die Juden von den Palästinensern trennt. Es gibt in Israel aber auch eine geistliche Grenzmauer im Leib Christi. Sehr tief sitzt der lange Konflikt zwischen Juden und Palästinensern. Jeder ist direkt oder indirekt davon betroffen. Bei jedem Terroranschlag und bei jeder bewaffneten Auseinandersetzung reissen alte Wunden wieder auf.

Doch im zweiten Kapitel des Epheserbriefes schreibt der Apostel Paulus:
Jesus Christus ist unser Friede. Jesus Christus hat aus Juden und Nichtjuden eine Einheit gemacht. Er hat die trennende Mauer niedergerissen und ihre Feindschaft beendet. Er hat die beiden in einem Leib mit Gott durch das Kreuz versöhnt.“


Das, was Paulus schreibt, ist nicht nur Theorie. Es ist eine Tatsache, die Christen wie Evan Thomas oder Azar Ajaj im Glauben in Anspruch nehmen. Für diese Versöhnungsarbeit setzen sie sich seit vielen Jahren zusammen mit anderen geistlichen Leitern im Heiligen Land ein. Sie reichen sich gegenseitig die Hand und setzen Zeichen des Friedens und der Hoffnung. Sie investieren sich in die nächste Generation, um sie von Anfang an für die jeweils andere Seite zu öffnen. Bei ihrer Versöhnungsarbeit werden sie von ausländischen Organisationen, wie den Philippus-Dienst unterstützt, denn manchmal ist es leichter, von aussen kommend Brücken zu bauen als intern. Es gibt viele Mut machende Nachrichten aus diesem umkämpften Land. Leider hört man von diesen guten Nachrichten viel zu selten!

Der Autor Manfred Steiniger ist Leiter des Philippus Dienst Schweiz. Er engagiert sich zusammen mit seiner Frau Eva und dem Philippus-Dienst Deutschland für Versöhnung im Heiligen Land.